Die Geschichte des Gutshauses Rustow
Urkunde

Anlässlich der Wiedereröffnung des sanierten Gutshauses Rustow, stellte Frau Renate Schwadtke die Geschichte des Gutshauses dar. Diese soll hier in Auszügen wiedergegeben werden.

Im Jahre 1242 ist Rustow erstmalig in einer Urkunde anlässlich der Verleihung des Stadtrechtes an Loitz erwähnt worden. 50 Jahre später bescheinigte der Pommersche Herzog der Stadt Demmin den Besitz von Rustow. Das Dorf war 430 Jahre Eigentum der Stadt Demmin. Der Dreißigjährige Krieg brachte der Stadt Demmin große Finanznöte. Daraufhin wurde Rustow im Jahre 1652 an den Proviantmeister der schwedischen Garnison Demmin Palmenhelm verkauft. Im darauf folgenden Jahrhundert wechselte das Dorf mit dem Gut mehrfach seinen Besitzer.

Um 1724 kauft Adolf Samuel von Baerenfels das Gut. Er führte das Wappen der Pommerschen Ritterschaft, welches heute noch über dem Eingang des Hauses und der Kirche zu sehen ist. 1784 war die zum Gutshaus gehörige Kapelle völlig verfallen, so dass Herr von Baerenfels 1790 eine neue Kapelle - die heutige - errichten ließ. Er erhielt darin mit seiner Familie ein eigenes Gestühl, eine eigene Pforte der Friedhofsmauer und im Keller eine Familiengruft.

Ende der 70er Jahre des 18. Jahrhunderts hatte ein Großbrand das Gutshaus erheblich beschädigt, so dass der Herr von Baerenfels ein neues Schloss erbauen ließ, welches 1808 fertig gestellt wurde. Die architektonische Ausstattung wurde vom Zeichenlehrer Quistorp aus Greifswald, der ein Schüler von Caspar David Friedrich war, realisiert. Die Familie Baerenfels war 132 Jahre - über vier Generationen - Herr auf Rustow. Im Jahre 1724 bis 1762 wurden alle 19 Gebäude, die 1762 im Auftrag der schwedischen Regierung durch Landvermessung gezeichnet wurden, erbaut. Dazu gehört auch die Kapelle.

Während der Freiheitskriege war der schwedische Kronprinz mit seinem Stab im Schloss einquartiert. Der junge Major Moritz von Krusenstern verliebte sich in die Tochter des Hauses, heiratete sie 1818 und nahm sie mit nach Schweden. Damals gehörten zum Dorf 8 Fachwerkkaten für 20 Familien. Jede Wohnung bestand aus Stube und Kammer, gekocht wurde auf der Diele auf offenem Feuer. Die Fußböden waren aus Lehm, der Stubenofen aus Mauerstein, die Decken zum Teil aus Brettern und Schleeten, nur ein Fenster konnte geöffnet werden. Außerdem gehörten zum Gut eine Schmiede, eine Tabakscheune, eine große Scheune, 4 kleinere und 2 größere Ställe. Von den alten Gebäuden stehen heute noch einige, zum Beispiel der umgebaute Schafstall am Ende des Angers. Einen besseren Eindruck vermittelte die Einsicht vom Guts- und Wirtschaftshaus. Das Wirtschaftshaus wurde vom damaligen Inspektor bewohnt. Es verfügte über 5 Stuben, 1 Küche und Speisekammern, eine Badestube mit "geheimen Gemach".

Das Gesitz war aus Tannenholz. Es gab eine Räucherkammer und Abseiten, öfen aus glasierten Kacheln, Türschlösser und einen Keller mit gewölbter Decke. Der Keller existiert heute noch in seinem Bestand. Im Herrenhaus wohnte der erste Pächter Herr von Haken. Das Herrenhaus verfügte über einen Saal und 6 Zimmer. Die Flügeltüren hatten Schlösser und Messingklingen. Durch eine Tapetentür gelangte man über eine Wendeltreppe in die untere Etage zum Saal. Von den weißen Kachelöfen waren einige halbrund gebaut.

1854 pachtete Familie Grönlund von Rügen das Gut. Als die Frau stirbt, löst der Mann den Pachtvertrag auf und geht zu seinem Bruder nach Gehmkow. Der andere Bruder Martin ist Gutspächter auf Drosedow in der Nähe von Loitz. Er unterhielt freundschaftliche Beziehungen mit Familie Schmidt.

Familie Schmidt kaufte das Gut Rustow 1856 und besaß das Gut 73 Jahre. Während dieser Zeit wurde eine Theaterbühne gebaut, auf der bis in die Dreißiger Jahre Theateraufführungen stattfanden. Im Jahre 1928 schloss Familie Schmidt einen Kaufvertrag mit der Stadt Loitz über das Gut ab. Sie wurde durch die Weltwirtschaftskrise zu diesem Schritt gezwungen. Sie erhielt 640.000 Reichsmark und behielt das Schloss, den Park, den Friedhof und die Kapelle. Herr Schmidt starb bereits im Jahre 1903, Frau Schmidt 1933. 1929 wird das Gut zu Siedlungszwecken verkauft und aufgesiedelt.

Etwa 300 Siedler kamen nach Rustow aus Württemberg, Westfalen und der näheren Umgebung. Im Jahre 1936 wird von den Damen Magda und Ottilie Schmidt der Friedhof und die Kapelle an die Kirchengemeinde Loitz abgegeben.

1938 wird eine Hälfte des Schlosses an den Reichsarbeitsdienst vermietet. Viele junge Frauen wurden als praktische Helfer bei den Bauern eingesetzt. Sie pflegten den Park und bewirtschaften die Gärten. 1944 werden sie zum schippen des Ostwalls abgezogen. Ein Teil der Frauen bleibt im Haus, die hier in den Sommermonaten den Kindergarten betreuen. Bis Mitte April des Jahres 1945 sind die Organisation Todt (OT) und einige Offiziere der SS im Schloss untergebracht.

Am 28. April kommt die Rote Armee nach Loitz über die Peene nach Rustow. Sie beschoss von der gegenüberliegenden Seite aus Richtung Pensin das Schloss mit Panzergranaten. Der Wintergarten auf der Südseite und das anliegende Zimmer, werden beschädigt. Die OT und die SS-Offiziere waren vorher geflüchtet. In den letzten Kriegstagen wurden Bekleidungen, Wäsche und teilweise Möbel aus dem Reichsarbeitsdienstlager an die Flüchtlinge verteilt.

Nach Ende des Krieges begannen die Plünderungen durch Zwangsarbeiter, die bei den Bauern arbeiteten und durch russische Soldaten. Durch Jugendliche wurde sämtliches Geschirr zerschlagen, die Restmöbel vom Reichsarbeitsdienst vom Balkon geworfen, der Saal war mit einer dicken Schicht Scherben übersät. Der Kronleuchter wurde von der Decke gerissen.

Mitte Juni des Jahres 1945 wurde das Haus mit Flüchtlingen belegt. Am 01. Dezember 1945 zogen Waisenkinder in das Haus. Die Flüchtlinge wurden anderweitig untergebracht. Weihnachten 1945 befinden sich 78 Kinder im Haus, die durch Rustower Bauern mit Mittagessen versorgt wurden. Geschlafen wurde unter anderem auch im Eiersaal auf Stroh.

Von 1945 bis 1998 war dieses Haus ein Kinderheim. Die erste Heimleiterin war Frau Carmesin. 1966 übernimmt Frau Ahrens die Heimleitung. Lehrer, Erzieher und technisches Personal waren im Gutshaus beschäftigt. Viele Rustower fanden hier einen Arbeitsplatz. 1983 erhält das Haus den Namen "August Levin". August Levin war der erste kommunistische Bürgermeister in Loitz nach dem Krieg und verhandelte mit den Damen Schmidt die übergabe des Hauses an die Stadt Loitz 1946. Sie bekamen freies Wohnrecht, Brennmaterial und andere Dinge. 1952/1954 starben die Damen Schmidt und liegen hier begraben.

Nach der Wende wird das Gutshaus vom Landkreis übernommen und das Kinderheim durch den Träger Sozialer Dienste betrieben. Ende 1998 wird das Gutshaus leer gezogen und stand zum Verkauf, bis es dann im Jahr 2000 die Firmengruppe Beck erworben hat.

In den Jahren 2001-2003 wurde das Gutshaus "Schloss Rustow" einer umfassenden Sanierung unterzogen. In ihm befinden sich heute 5 wunderschöne Wohnungen und 2 repräsentative Büroeinheiten. Auf dem über 50.000 qm großen Parkgelände wurde ferner ein neues Mehrfamilienhaus errichtet ("Kleines Gutshaus") sowie ebenfalls im denkmalgeschützten Stil ein repräsentatives weiteres Gewerbegebäude.

Unter dem Aspekt "Wohnen und Arbeiten" im Schloss, wurden exklusive Wohnungen und Büros direkt am Naturschutzgebiet geschaffen und nicht zuletzt eine stattliche Zahl von Arbeitsplätzen in dieser strukturschwachen Region.

Die Verwaltung des Anwesens am Ort liegt heute in den Händen von Frau Renate Schwadtke, die im früheren "Heim" jahrzehntelang als Erzieherin tätig war. Nach wie vor liegt ihr das Gutshaus besonders am Herzen und sie ist die "gute Seele" des gesamten Anwesens.

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